Am Sonntag, dem 27. Oktober, lud die Alfons Goppel-Stiftung zu ihrem jährlichen Familientreffen ins Hotel Maritim in München ein. Bei Kaffee und Kuchen kamen zahlreiche Paten, Freunde und Förderer zusammen, um sich über die Stiftungsarbeit zu informieren und auszutauschen. Im Fokus des Nachmittags standen die Stiftungsprojekte in Ecuador, für die sich die Stiftung seit über 40 Jahren engagiert.
Rückblick und Ausblick
Herr Hess, Vorstand der Stiftung, begrüßte an dem schönen Herbstnachmittag alle Gäste, die ein Wiedersehen sichtlich genossen.
Frau Christ, Leiterin der Geschäftsstelle, berichtete über das vergangene Jahr und gab Einblicke in die Herausforderungen und Fortschritte der Stiftungsarbeit in Ecuador und Deutschland. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen in Ecuador - es sei nur an die Bandenkriminalität, die Trockenheit und die zunehmend kritische Versorgungslage durch Stromausfälle erinnert - gelingt es den Projektpartnern für die Kinder und Jugendlichen da zu sein und die Projekte zuverlässig fortzuführen. In Deutschland vernetzt Frau Christ die Stiftung mit weiteren Unterstützerinnen und Unterstützern der Projekte sowie der Erzdiözese München und Freising. Durch Vorträge und Workshops, z. T. mit Projektpartnern aus Ecuador sorgt Frau Christ für ein vertieftes gegenseitiges Verständnis.
Das Treffen diente zugleich als Plattform für zukünftige Aktionen und Spendenprojekte. Die Stiftung lädt weiterhin dazu ein, Patenschaften zu übernehmen, um Kindern in Ecuador Bildungschancen und
Perspektiven zu ermöglichen. Als nächstes großes Event steht das digitale Adventskaffee an, bei dem die Kinder des Jugendzentrums auf der Isla Trinitaria Weihnachtslieder präsentieren werden.
Ein Jahr in Deutschland - Eindrücke einer Freiwilligen
Einen persönlichen Beitrag lieferte die Freiwillige Sofía Alvarado aus Ecuador. Sie schilderte ihre Eindrücke von Deutschland, sprach über kulturelle Unterschiede und berichtete von ihrem Einsatz in einer Kinderkrippe in München. Besonders bewegte sie, wie ihr Aufenthalt ihr neues Selbstvertrauen und zahlreiche wertvolle Erfahrungen gebracht hat – eine Erfahrung, die sie auch in ihre Heimat mitnehmen möchte.
"Für mich hat dieses Abenteuer eine besondere Bedeutung in meinem Leben. Ich bin nicht mehr ängstlich und schüchtern auch nicht. Viele Sachen, von denen ich niemals gedacht hätte, dass ich sie machen würde, habe ich geschafft. Zum Beispiel: eine andere Sprache zu sprechen, Achterbahn zu fahren, sich um Kinder zu kümmern."
Spontan befragt erklärte ihre Gastmutter Frau Bauske sichtlich gerührt: "Mit Sofías ist es immer schön und herzlich. Und auch ein "Nein" ist eine Option."
Impulsvortrag "Kinder, Arbeit, ein Problem?"
Mit einem kurzen Impulsvortrag beleuchtete Sarah Christ das problematische Verständnis von Kinderarbeit in Deutschland. Dafür stellte sie zunächst zwei Perspektiven auf "Kindheit" dar: Einerseits
das Kind als Entwicklungswesen, als formbares Objekt, das gebildet werden muss, das noch "werden" muss; andererseits die Perspektive auf das Kind als sozialen Akteur, die besonders im
lateinamerikanischen "protagonismo infantil" zum Ausdruck kommt. Hier verstehen sich vor allem Kinder selbst als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, die selbstständig handeln und
entscheiden.
Diese beiden Perspektiven prägen grundsätzlich den Blick auf "Kinderarbeit": Beim Kind als Entwicklungswesen ist Kinderarbeit ausgeschlossen, da die Aufgabe des Kindes in der Bildung liegt. Es
muss noch Erwachsen werden, bevor es sich richtig am Leben der Erwachsenen beteiligen kann.
Dahingegen sehen die Kinder des Protagonismo Infantil unter bestimmten Bedingungen keinen Widerspruch zwischen Bildung und Arbeit. Diese Bedingungen machen dann auch den Unterschied zwischen der
"Kinderarbeit" im engeren Sinne (trabajo infantil y adolescente) sowie "Kindern und Jugendlichen in Beschäftigung" (actividad laboral).
"Kinder und Jugendliche in Beschäftigung" meint dabei erlaubte, leichte Arbeiten für Kinder und Jugendliche, die ihre Entwicklung und Bildung einerseits nicht gefährden, anderseits aber Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben erlauben. Insbesondere die lateinamerikanischen Kindergewerkschaften sprechen sich für eine Legalisierung der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen aus. Damit
einher geht dann vor allem eine Rechtssicherheit, die die vorherreschende Ausbeutung der rechtlosen, arbeitenden Kinder beendet.
Dahingegen werden unter "Kinderarbeit" entsprechend der verbreiteteten internationalen Definitionen vor allem gefährliche Tätigkeiten verstanden, die Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen
oder die "schlimmsten Formen von Kinderarbeit", die Sklaverei, sexuelle Ausbeutung und ähnliche Misshandlungen beschreiben. Insbesondere diese Formen werden aus der Perspektive der
Kindergewerkschaften nicht als Arbeit, auch nicht als schlimmste Form der Kinderarbeit anerkannt, sondern lediglich als Verbrechen gebrandmarkt.
Der Fokus internationaler Studien und die Wahrnehmung arbeitender Kinder, betont Christ, liegt dabei immer auf "Kinderarbeit" im engeren Sinne - und damit in einem Bereich, der auch von
arbeitenden Kindern abgelehnt wird. Jedoch wird diese Einseitigkeit dem Phänomen arbeitender Kinder nicht gerecht. So zeigen Erhebungen aus Bolivien, das rund 85 % aller Kinder produktive
Tätigkeiten ausüben, allerdings "nur" 26,4 % (Studien von 2008) aller Kinder tatsächlich "Kinderarbeit" leisten, d. h. Tätigkeiten nachgehen, die entweder aus ihrer Natur heraus oder durch die
schlechten Arbeitsbedingungen die Entwicklung der Kinder gefährden. Dahingegen waren 2008 mehr als die Hälfte aller Kinder zwar produktiv tätig, jedoch nicht in Formen, die als "Kinderarbeit"
bezeichnet werden können. Gleichzeit leben und arbeiten auch diese Kinder durch die mangelnde gesetzliche Legitimierung häufig unter ausbeuterischen Bedingungen, da sie keine Rechtsansprüche
durchsetzen können - und vor allem kaum gesehen werden: Sie tauchen in den Statistiken nicht auf, da nur das Feld der Kinderarbeit im engeren Sinn ausgeleuchtet wird.
Frau Christ betonte, dass dieser "Blinde Fleck" und die Illegalität die Kinder und Jugendlichen in Beschäftigung gefährdet. Stattdessen plädiert sie mit den Kindergewerkschaftenfür eine
Regulierung der Kinderarbeit und gegen das einseitige Ausspielen des Rechts auf Bildung gegen das Recht auf Arbeit.
Viel zu schnell endete das Familientreffen der Pateneltern und Freunde der Alfons Goppel-Stiftung. Die Stiftung dankt der Firmengruppe Dr. Hanns Maier für die freundliche Unterstützung.